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  BLOG 06-10-2021

Warum gründen wir? Teil I

Gedanken über Start-ups, Purpose und Zukunft. In diesem Blogbeitrag schreibe ich über Purpose - also den Sinn von Unternehmertum, die Beziehung von Wirtschaft und Welt. Ich möchte ein aktuelles Purpose-Konzept vorstellen, das die Art, wie wir arbeiten radikal verändern könnte.

Wie erforscht man Zukunft?

Als studierter Zukunftsforscher - ja das gibt es wirklich! - habe ich allein dieses Jahr an verschiedensten Projekten gearbeitet. Unter anderem:

  • Einer Kampagne gegen die aggressivste Form der CRISPR/Cas-Genmanipulation für die Zukunftsstiftung Landwirtschaft
  • Meine New Work Utopie für ein Magazin
  • Den Zukunftsreport “Synthetic Media” für den WDR

Seit September arbeite ich neben meiner Selbstständigkeit in Teilzeit für die auf Zukunftsfragen spezialisierte Beratung Third Wave, welche ich bei dem WDR-Projekt unterstützen durfte. Aktuell arbeiten wir an einem riesigen Mobilitätsprojekt, das anhand eines erlebbaren Artefakts zeigen soll wie Mobilität 2040 aussehen könnte.

Als Zukunftsforscher bin ich nicht der Spezialist in einem Thema an sich, sondern darauf spezialisiert, wie mögliche Zukünfte aussehen könnten. Dafür analysiere ich gegenwärtige Entwicklungen: Welche Probleme haben wir und welche zukunftsfähigen Ansätze bahnen sich in Nischen bereits an?

Zukunft
Wir haben mehr Möglichkeiten als wir glauben.

Wünschbares Wirtschaften

Eine zentrale Frage für jede Zukunft ist die Art und Weise, wie wir wirtschaften. Dabei hat sich in den letzten Jahrzehnten herauskristallisiert, dass die allermeisten Innovationen weniger von den großen Konzernen, sondern von Startups ausgehen. Der Beitrag heißt deshalb “Warum gründen wir Startups?” und wird im folgenden in einen Zukunftskontext eingebettet.

Ich habe im Vorfeld zu diesem Vortrag zahlreiche Studien gesichtet, um mich der Frage anzunähern. Ein paar Möglichkeiten, viel genannte Möglichkeiten, sind die eigene Idee für ein gutes Produkt, das Angestelltenverhältnis hinter sich lassen, Flexibilität oder der eigene Fußabdruck.

Ich kann schon mal vorwegnehmen: Die eine klare Antwort, warum wir gründen, gibt es nicht. Große Überraschung! Deshalb fange ich zunächst mit einer einfacheren Frage an:

Warum habe ich ein Startup gegründet?

Ich habe zwischen 2014 und 2017 ein Netzwerk für kreative Freelancer aufgebaut, das wir Anfang 2016 mit Hilfe eines Business Angels gründeten. Wir hatten zur Spitze einen Pool mit über 1.000 handverlesenen Freelancern in unserer Datenbank, die wir an über 200 Agenturen und Unternehmen vermittelten. Die arbeiteten bis dahin vor allem mit Excel-Tabellen.

Faktor 1: Selbstverwirklichung

Nach eher schwierigen Erfahrungen als Angestellter in der Agenturwelt war es für mich super, meine Zeit frei einzuteilen und an den Dingen zu arbeiten, die ich als wichtig empfinde.

Faktor 2: Weltverbesserung

In einer Welt in der Arbeitsplätze längst nicht mehr für ein Leben halten, geht der Trend nun schon ca. zwei Jahrzehnte hin zu immer mehr Selbstständigen. Wir wollten dieses “New Work” jenseits von miserabel bezahlten Gigs, wie es in den USA üblich ist, gestalten. Dafür setzen wir von Anfang an auf einen Mindesttagessatz, der sowohl in Fachmedien als auch in der Politik diskutiert wurde.

Faktor 3: Exit / Buyout

Als es Ende 2016 Anfing richtig gut zu laufen passierte das, was dann klassischerweise passiert. Mein Co-Founder und ich überwarfen uns. In einer Mediation teilte er mir mit, dass er die Firma gerne weiterführen würde. Ich stellte ihm ein Ultimatum von 2 Monaten, um einen Kaufinteressenten für meine Anteile zu finden. Das gelang und ich konnte 2 Jahre in finanzieller Unabhängigkeit Zukunftsforschung studieren. Ein Privileg, das mir ohne mein Startup wohl nicht zu Teil geworden wäre.

Im Stimmungsbild während der ruhrSTARTUPWEEK entschied sich die Mehrheit für Faktor 3, wenn sie sich für einen entscheiden müssten. An dieser Stelle möchte ich sagen: Noch!

Philosophischer Purpose: Die aktuelle Diskussion

Kommen wir zurück zu wünschbaren Wirtschaften. Ich möchte jetzt meine - sozusagen - philosophische These dazu in den Raum stellen. Nehmen wir drei genannten Punkte scheint es mir ganz leicht: Der Exit dient nur dem eigenen Vorteil. Selbstverwirklichung und Weltverbesserung folgen einem tieferen Sinn, dem Purpose.

Was sind die Folgen daraus? Folgt die aktuelle Diskussion rund um Purpose dieser Überlegung?

Purpose
Purpose im Generationen-Kontext

Wir sehen links oben: Millennials prägen die Arbeitswelt immer mehr und ihnen ist Purpose sehr wichtig. Für nachkommende Generationen gilt das um so mehr. Links unten sehen wir einen idealtypischen Social Impact-Prozess. Solche Sozialunternehmen werden überwiegend als sinnvoll wahrgenommen und sind damit ein wesentlicher Teil des Purpose-Diskurses. Rechts unten sei auf das Aussteigerprogramm für Berater*innen und Konzernmenschen verwiesen, die auch gern mehr mit Purpose zu tun haben wollen.

Darüber zwei Zeitungsberichte. Der mittige führt das sogenannte Purpose-Washing, analog zum Greenwashing ein: Firmen denen es gelingt sich als verantwortungsvoll und am Gemeinwohl orientiert darzustellen, steigen im Wert. Doch; wie nachhaltig ist es wohl für Startups auf nachhaltig zu machen, ohne es wirklich zu sein? Rechts oben dann das Statement in der FAZ: Purpose vor dem Sieg!

Verantwortungseigentum als konkrete Form von Purpose

Hier wird jedoch ein wesentlicher Begriff für eine wünschbare Wirtschaft, wie ich sie mir vorstelle, eingeführt: Verantwortungseigentum.

<< Es gibt immer sog. "Eigen-Eigentümer*innen", die das Unternehmen für eine gewisse Zeit besitzen, bevor sie ihr Amt, ihre Macht weitergeben an Fähigkeiten und Weiterverwandte. Eigentum wird als Aufgabe verstanden. >>
Eigentum also nicht als Eigentumsvermehrung, sondern als Aufgabe. Wie heißt es im Grundgesetz? Eigentum verpflichtet.

Szenenwechsel. Ich möchte ich euch gerne einen Schwank aus meinem Leben erzählen. Ich war neulich auf einer Grillparty und unterhielt mich mit einem Gründer aus dem Bereich CO2-Zertifikate. Ein hochsensibles Thema, wie ich finde. Klimawandel als Business. In einer wünschbaren Wirtschaft würde das Unternehmen doch vor allem dem Sinn dienen den Klimawandel zu reduzieren? Der Gründer auf der Grillparty sah das etwas anders. Er kannte das Konzept des Verantwortungseigentums - nahm davon aber ganz klar Abstand. Warum sollte er auf seine Kohle verzichten? Seiner Meinung nach arbeitet er ja eh an der guten Sache.

Dabei ist es ein Mythos, dass Purpose Unternehmen kein Geld mehr verdienen. Nur: Der Gewinn fließt eben primär der Sache zu und Mitarbeitende können sicher sein, dass diese nicht spontan verraten wird, während Gründer dann als Millionäre dastehen.

Wir alle kennen den Slogan “der Markt regelt das.” Ich bezeichne das geflissentlich als Utopie der Alternativlosigkeit, da dem Menschen Handlungsmacht entzogen wird. Wie funktionieren Märkte idealtypisch? Unternehmen erzeugen Produkte und Politik sorgt dafür, dass wir als Konsument*innen nachvollziehen können, ob wir diese wollen oder nicht.

Die Option eine GmbH in Verantwortungseigentum gründen zu können, heißt also nicht, dass alle Unternehmen so ausgerichtet werden sollen oder gar müssen. Es lässt Unternehmer*innen die Wahl welche Art von GmbH sie gründen wollen und verschafft Transparenz. Verantwortungseigentum sagt uns, ob das Unternehmen einem bestimmten Sinn folgt - oder ob es letzten endes immer nur um’s Geld geht.

Exit-Kultur mit problematischem Fokus

Wir leben nunmal in beschleunigten Zeiten. Jetzt ist die Idee heiß, lasst sie uns schnell zu Geld machen. Solch ein Turbokapitalismus steht der Selbstverwirklichung und der Weltverbesserung von Startup-Gründer*innen im Weg.

5 Stages of a Start-up

Stattdessen werden zuhauf tolle Storys erzählt, was man gemeinsam aufbauen wird. Mitarbeitende lassen sich für die gute Story ausbeuten und ziehen die schlechter bezahlten Jobs der Arbeit in Konzernen vor. Irgendwann cashen die Gründer dann fett ab, indem sie ihre Anteile verkaufen, während die Mitarbeitenden dastehen - niemand kompensiert ihnen die reduzierten Gehälter, die Idee verwässert im Konzern oft und die Strukturen entwickeln sich genau so, wie man es nie haben wollte.

Was wäre wenn Startups nicht vom Exit her gedacht wären?

Genau diesem Ansatz folgen die Stiftung Verantwortungseigentum und die Purpose Stiftung.

Die Stiftung Verantwortungseigentum zeigt, wie viele Unternehmen - von Bosch über Zeiss bis zu Alntatura - Wege gefunden haben sich in Verantwortungseigentum zu überführen - ohne, dass das rechtlich so wirklich vorgesehen ist. Sie setzen sich deshalb dafür ein, das zu ändern. Die Purpose Stiftung berät vor allem Startups wie Einhorn oder Ecosia, die sich unter den aktuellen Umständen schon gesetzlich dem Purpose verschreiben wollen.

Zwischenfazit:

Was ist der tiefer liegende Sinn hinter Unternehmertum? Meine These: Selbstverwirklichung und die Welt verbessern. Die Diskussion rund um “Purpose” - damit ist grob der Sinn gemeint - hat mit der Stiftung Verantwortungseigentum und der Purpose Stiftung eine neue Klarheit gewonnen. Eine Ergänzung im GmbH-Gesetz könnte sinnvolles Wirtschaften gesetzlich definieren, was eine absolut zukunftsweisende Entscheidung wäre. 

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Fortsetzung folgt in der nächsten Woche...